Phänotypisierung: Pflanzen erkennen, die dem Klimawandel trotzden
Shownotes
Vor dem Hintergrund des Klimawandels stellt sich die Frage: Wie findet man Pflanzen, die besonders hitzetolerant und trockenheitsresistent sind, die gleichzeitig mit möglichst wenig Dünger und Herbiziden bzw. Pestiziden auskommen und die schließlich Erträge für eine gesunde und ausreichende Ernährung liefern? Ein wirksamer Ansatz ist die Phänotypisierung – die Bestimmung des äußeren Erscheinungsbilds von Pflanzen mithilfe von Röntgentechnik. Joelle Claußen und Dr. Fabian Keil erklären, wie die Phänotypisierung Züchter:innen helfen kann, neue Pflanzensorten zu ziehen, und in der Agrarwirtschaft Anbaubedingungen auf veränderte Bedingungen abzustimmen.
Mehr Informationen zum Thema Phänotypisierung gibt es hier: https://www.iis.fraunhofer.de/de/magazin/serien/serie-nachhaltigkeit/digital-nachhaltig-sustainable-development-goals/phaenotypisierung-nachhaltigkeit.html
Transkript anzeigen
00:00:00: Nachhaltig im Verwendung von Ressourcen, sei es die Umweltschonenden durch weniger Dünge oder die
00:00:14: Umweltschonenden durch weniger Wasserverbrauch, da versuchen wir auch daran mitzuwirken.
00:00:19: Herzlich willkommen zu digital nachhaltig, Frauenhofer EES. Mein Name ist Jacke Wagenbrenner und hier
00:00:26: im Podcast spreche ich mit unseren Expert*innen über ihre Forschungsprojekte, die auf eine
00:00:30: nachhaltigere Zukunft arbeiten. Genauer gesagt auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der
00:00:35: Vereinten Nationen. Das Ziel Nummer zwei lautet "Kein Hunger" und neben Ernährungssicherheit geht es
00:00:41: dabei auch um nachhaltige Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion. Mit diesem Ziel forschen
00:00:47: Joel Klausen und Fabian Keil vom Fraunhofer Entwicklungszentrum Röntgentechnik, kurz EZRT,
00:00:52: mittels Phenotypisierung an verschiedenen Methoden, wie die Ressourcen in der Landwirtschaft
00:00:57: besser genutzt werden können. Joel ist Senior Scientist im Bereich Bioagrar mittels Röntgentechnik.
00:01:02: Momentan bin ich in der Abteilung anwendungsspezifische Methoden und Systeme und kümmere mich da eben
00:01:09: um den Bereich, wie man Röntgentechnik im Bioagrar-Bereich einsetzen kann.
00:01:13: Fabian Keil ist Leiter der Gruppe Optische Typisierung am EZRT. Wir beschäftigen uns auch mit
00:01:19: der Anwendung von optischen Messsystemen und der Sensorik und der Auswertung und das ergänzen
00:01:27: zu den Röntgenmethoden der Nachbarabteilung eben mit optischen Methoden.
00:01:31: Bevor wir über optische Methoden und Röntgensystemen in der Landwirtschaft reden,
00:01:35: schauen wir uns aber erstmal an, warum die Forschung überhaupt so wichtig ist. Mit
00:01:39: dem Klimawandel kommen logischerweise auch einige Herausforderungen auf die Landwirtschaft zu.
00:01:43: Ich denke, die Herausforderungen sind, dass wir zunehmend extremere Wetterbedingungen bekommen,
00:01:49: sodass die Pflanzen stabiler sein müssen gegenüber mehr Wasser oder mehr Wind oder mehr einfach
00:01:56: krasseren Wetterbedingungen. Und das ist natürlich für die Züchtung einer Herausforderung, dass
00:02:04: dann eben die Pflanzen den Landwirten bereitgestellt werden, sag ich mal, die dann eben mit diesen
00:02:09: Wetterbedingungen auch klarkommen. Ich würde vielleicht noch ergänzen, genau diese Wetterbedingungen
00:02:15: sind natürlich auch der Grund, dass zum Beispiel Ressourcen wie Wasser je nach Ort, wo man halt
00:02:21: ist, knapper werden können. Und das ist wichtig ist, dass man die Ressourcen, die man zur Verfügung
00:02:26: hat, wirklich da einsetzt, wo sie gebraucht werden. Und das denke ich ist auch eine weitere große
00:02:34: Herausforderung. Okay, Pflanzen müssen in Zukunft also resistenter gegenüber kritischen Umweltbedingungen
00:02:40: werden. In der Initiative Biogene Wertschöpfung und Smart Farming kommen Expert*innen aus verschiedenen
00:02:46: Fraunhofer-Instituten zusammen, um diese und noch viele andere Herausforderungen in der Landwirtschaft
00:02:51: anwendungsorientiert zu unterstützen. Joelts und Fabians Forschungsgruppen setzen da erst mal
00:02:57: ganz grundlegend mit der optischen Bestimmung von Pflanzen an, damit die Pflanzen für die Forschung
00:03:01: möglichst genau analysiert werden können. Da kommt auch der Begriff Phenotypisierung ins Spiel.
00:03:06: Und das kann Fabian am besten erklären. Wenn man jetzt mal nochmal den Begriff Phenotypisierung
00:03:11: sich anschaut, dann geht es ja darum, die Gestalt einer Pflanze zu erfassen, die sie ausbildet,
00:03:19: unter zum einen erstmal den genetischen Background, den sie mitbringt. Und wenn jetzt die Pflanze dann
00:03:24: in gewissen Umgebungen wächst, also in einem Boden, der eine bestimmte Zusammensetzung hat oder die
00:03:31: Temperatur, Licht, alles was dazu verfügeln steht, bildet sie einen bestimmten Phenotyp aus und das
00:03:37: heißt erstmal nichts anderes als eine bestimmte Erscheinung, die wir mit den Augen auch sehen
00:03:43: können und angucken können und vielleicht auch bewerten können. Und in meiner Gruppe geht es jetzt
00:03:49: eigentlich darum, dass wir diese Erscheinung mithilfe von Sensorik, die halt im optischen Bereich,
00:03:56: also im sichtbaren Bereich des Lichts, liegt erstmal aufnehmen und diese Daten dann verarbeiten.
00:04:04: Also man könnte es so zusammenfassen, dass es darum geht, die Form und die Farbe abzubilden und
00:04:10: zur Verfügung zu stellen für weitere Datenverarbeitungsschritte und dann eben Informationen,
00:04:16: relevante Informationen daraus zu ziehen. Also wenn man sich sozusagen vorstellt, das sichtbare Licht
00:04:21: fängt irgendwo bei blau an und dann geht es weiter über grün, gelb und rot. Das sind der verschiedene
00:04:26: Wellenlängen. Dann kommt nach dem Rot das Infrarote und das ist ein relativ relevanter Bereich, um
00:04:35: Pflanzen auch zu charakterisieren, auch wenn man es im Auge nicht sieht, weil man dort sehen kann,
00:04:40: wie der allgemeine Zustand der Blätter zum Beispiel ist oder auch ob die Pflanze unter
00:04:46: Trockenstress leidet. Also das sieht man in dem Bereich besser und früher als im optischen,
00:04:52: also im sichtbaren Licht und deswegen ist es so interessant, sich diesen Bereich auch anzugucken
00:04:57: und da wollen wir auch uns verstärkt darauf fokussieren in der nächsten Zeit. Bei Fabian geht es im
00:05:02: ersten Schritt also um alles, was man mit dem bloßen Auge erkennen kann und noch ein bisschen
00:05:07: darüber hinaus ins Infrarotespektrum. In Jewels Arbeitsbereich geht es vor allem darum,
00:05:11: was sich unter der Erde abspielt. Wir haben mehrere Teile, sage ich mal. Einmal ist in Fokus auf
00:05:18: Wurzelarchitektur. Das ist dann das, was wir indoor machen in Gewächshäusern, weil die auch in
00:05:26: Töpfen dann wachsen müssen, die Pflanzen dafür. Ein zweiter Teil ist, dass wir Qualität von Saatgut
00:05:32: betrachten und ein dritter Teil ist, dass wir versuchen auf dem Feld auch Anwendungen zu finden,
00:05:38: die dann, wo wir Merkmale bestimmen können mit Röntgentechnik, wo man die optisch nicht
00:05:45: zugänglich sind. Also das dann dieses ergänzende zwischen Fabians Gruppe und unsere Arbeit, dass
00:05:50: wir sagen, dort wo wir versuchen viel mit optischen Sachen zu erfassen. Aber es gibt dann einfach
00:06:00: Merkmale, die optisch nicht zugänglich sind und das ist dann der Teil, wo die Röntgentechnik
00:06:03: eingesetzt werden kann. Vorher macht es eigentlich keinen Sinn. Also wenn ich es optisch erfassen
00:06:07: kann, dann macht es eher Sinn, das optisch zu machen, weil das einfacher vom Handling ist und
00:06:13: nicht vom Handling, der ist sensorik, aber von der Sicherheitstechnik an sich ist es einfacher
00:06:19: als ein Röntgensystem. Und genau diese Vereinigung der Methoden, von denen Joel da spricht, ist der
00:06:25: Beitrag des EZRT zur Fraunhofer-Initiative Biogene Wertschöpfung und Smart Farming, die ich am
00:06:30: Anfang erwähnt habe. Da werden verschiedenste Projekte in diesem Bereich gemacht und eines dieser
00:06:37: Projekte, was wir jetzt schon bearbeiten, ist eben die gemeinschaftliche Arbeit unserer Abteilung,
00:06:43: eben diese Methodik, Optik und Röntgen zu kombinieren, um aus beiden
00:06:51: Welten sage ich jetzt mal das Beste mitzunehmen. Ich meine die Optik, wie von
00:06:56: Joels schon angesprochen, die kann eben nicht hinein gucken und auch nicht die
00:07:00: Wurzeln beurteilen, zumindest so lange sie in der Erde sind. Dafür können wir
00:07:05: halt mit den optischen Methoden Form und Farbe sehen und wenn man das
00:07:08: kombiniert, kann man sich schon vorstellen, dass da einfach einen Mehrwert
00:07:12: generiert werden kann und das wollen wir in diesem Projekt demonstrieren.
00:07:17: Unsere ganzen Methoden, so viel Nutipisierung, ob jetzt optisch oder
00:07:23: Röntgen oder auch kombiniert, ziehen ja darauf ab, dass wir letztendlich erst mal
00:07:28: Informationen über Pflanzen gewinnen, möglichst objektiv.
00:07:34: Diese Arbeit eines Züchters wird ja auch ohne Sensorik schon lange Zeit gemacht
00:07:39: und da wird es halt durch manuelle oder visuelle Begutachtung besser gesagt
00:07:44: gemacht. Das heißt, es guckt sich ein Mensch die Pflanze an und bewertet die
00:07:47: irgendwie und natürlich ist das eine ziemlich aufwendige Arbeit und es ist
00:07:52: auch eine Arbeit, die nicht unbedingt so reproduzierbar ist oder so gleichmäßig
00:07:56: und die Idee ist natürlich über Sensorik grundsätzlich erst mal die
00:08:02: Möglichkeit zu bieten, diese Beurteilung der Pflanzen objektiver und auch mit
00:08:10: weniger Aufwand zu machen. Damit alles möglichst objektiv beurteilt werden
00:08:15: kann, muss die Umgebung natürlich gut kontrolliert sein. Wenn man an
00:08:18: Organismen wie Pflanzen forscht, ist das besonders relevant.
00:08:22: Wir haben kontrollierte Klimabedingungen, also wir haben eine Klimakammer, wo die
00:08:27: Pflanzen unter Klimabedingungen wachsen, die wir bestimmen können und
00:08:31: fast exakt einstellen können und das hilft uns natürlich, dass wir auch
00:08:39: extrem Bedingungen, also Hitze-Stress oder Trocken-Stress oder zu wenig Dünger oder
00:08:43: zu viel Dünger nachstellen können und dann können beobachten, wie die
00:08:49: Pflanzen darauf reagieren, also fenotypisieren die Pflanzen. In dem
00:08:53: Projekt wollen wir jetzt genau das tun, dass wir eben nicht nur oberirdisch das
00:08:59: ganze betrachten oder nur unterirdisch das ganze betrachten, sondern wir bringen
00:09:03: die beiden Sensorwelten zusammen und in der, in unserem Röntgen-Klimabedingungs-
00:09:11: umgebung setzen wir alle Sensoren gleichzeitig ein, um ein möglichst
00:09:16: umfassendes Bild von der Pflanze zu bekommen und die Messungen werden auch
00:09:20: gleichzeitig stattfinden, das heißt auch, dass zu dem gleichen Zeitpunkt alle
00:09:25: sensorig erfasst wurde, weil Pflanzen verändern sich ja, das ist auch eine
00:09:29: Herausforderung in unserer Forschung immer wieder, dass die Pflanzen ja, ob ich es
00:09:33: heute messen oder morgen messen, macht einen Unterschied, das heißt da sind wir
00:09:37: sehr, sehr krass an Zeiträume gebunden und unser Ziel ist, dass wir damit gerade
00:09:43: in diesen Klimabedingungen, wo man ja ganzjährig Pflanzen anbauen kann, wo man
00:09:48: nicht an die Jahreszeiten gebunden ist, das Ganze ein bisschen zu beschleunigen,
00:09:52: weil dann kann man zwei, drei, vier Tests in einem Jahr machen, ohne dass man jetzt
00:09:57: sagt, man muss vier Jahre warten, um den gleichen Test nochmal zu machen und man
00:10:03: hat den Vorteil, dass man die Klimabedingungen bestimmen kann und
00:10:08: sie nicht so kommen, wie sie kommen, das heißt für gerade frühe Zuchtversuche
00:10:13: kann man das sehr gut als Tool einsetzen, man muss aber auch wissen,
00:10:16: alles was indoor und in Töpfen passiert, ist schon auch nochmal anders als dann auf
00:10:21: dem Feld am Ende. In der Klimakammer kommen also die beiden Forschungsbereiche zum
00:10:25: ersten Mal zusammen, um die Pflanzen in einer möglichst kontrollierten Umgebung
00:10:28: zu phenotypisieren. Aber visuell schon sagt, die Klimakammer ist gut zur
00:10:32: objektiven Beobachtung einzelner Pflanzen, aber eben nicht immer vergleichbar
00:10:36: mit realen Bedingungen auf dem Feld. Doch auch dafür gibt es eine Lösung.
00:10:40: Genau, wir machen mit einem der Feldremporter, die wir haben, oberirdische
00:10:49: Biomassebestimmung und versuchen gerade dabei herauszufinden, ob wir auch Erntezeitpunktbestimmung
00:10:57: machen können, dass wir also Züchter haben ganz, haben hunderte verschiedene
00:11:04: Sorten auf ihren Feldern stehen in sehr kleinen Abschnitten und um das zu
00:11:09: ernten und den Ertrag herauszufinden, müssen sie jedes einzelne Feldstück
00:11:14: extra ernten und wiegen und das ist ein enormer Aufwand und was wir versuchen ist
00:11:19: da eben autonom das zu bestimmen, den Ertrag, dass am Ende nur noch die Teile
00:11:26: separat geerntet werden müssen, die tatsächlich zu weiteren Zucht verwendet
00:11:30: werden und die Teile, die nicht so gut performt haben, die kann man dann einfach
00:11:34: als gesamtes Mähdreschen und damit abernten muss es nicht separat herausfinden.
00:11:42: Und der andere Roboter, der ist dann mehr optisch, wird er verwendet.
00:11:47: Da wird mit optischen Systemen Beikräuter, also umgangssprachlichen Unkräuter
00:11:55: detektiert, die dann rausgehackt werden auf dem Feld, das heißt da ist dann das ist
00:12:00: dann der zweite oder der andere, der optisch optische Systeme drauf hat.
00:12:05: Ein autonomer, intelligenter Roboter, der mit den Technologien der EZRT-Forschungsbereiche
00:12:10: ausgestattet ist, kann Landwirt*innen und Züchter*innen also enorm viel Arbeit abnehmen.
00:12:15: In Verbindung mit der Forschung aus der Klimakammer kann da ein echter
00:12:18: Mehrwert für nachhaltige Landwirtschaft in der Zukunft geschaffen werden.
00:12:21: Deswegen hatte ich eingangs auch gesagt, dieses Thema Ressourcen ersparen es, weil wenn ich
00:12:27: genau Informationen über die einzelnen Pflanzen habe und weiß, wie sie jetzt im
00:12:31: Gegensatz vielleicht zum Rest gerade der Zustand ist, dann kann ich gezielt eingreifen
00:12:38: und meine Dlinge gezielt bewässern oder gezielter düngen oder auch gezielter
00:12:42: Schädlingsbekämpfung durchführen, die nun manchmal durchgeführt werden muss, um die
00:12:48: Krankheiten und den und den Verteilung da einzudämmen.
00:12:52: Wo dann der Aspekt Nachhaltigkeit halt auch zum Tragen kommt, also wo wir sagen
00:12:55: nachhaltig im Verwendung von Ressourcen, sei es die Umweltschonenden durch weniger
00:13:03: Dünger oder die Umweltschonenden durch weniger Wasserverbrauch und das ist da
00:13:08: versuchen wir auch eben daran teilzuhaben oder daran mitzuwirken.
00:13:14: Mehr Informationen zum Thema Phenotopisierung und vielen weiteren Forschungsprojekten,
00:13:18: die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, findet ihr unter
00:13:22: www.ies.frauenhofer.de/sustainablegoals.
00:13:26: Wir freuen uns über Feedback zum Podcast per Mail an magazine@ies.frauenhofer.de.
00:13:32: Der Podcast Digital Nachhaltig Frauenhofer IES ist eine Produktion des
00:13:36: Frauenhofer Instituts für integrierte Schaltungen.
Neuer Kommentar